Mein neues Buch ist in der Welt. Am 24.Oktober ist es losgeschwebt und es war tausendmal besser als ich je zu hoffen wagte. Der ganze Abend war einfach nur magisch. Frei und unbeschwert und voller Energie.
Das Seltsame ist, dass im Vorfeld alles irgendwie schief zu gehen drohte: Die Jungs vom „Retronom“, wo die Buchpremiere stattfinden sollte, meldeten sich ewig nicht, es gab Unwägbarkeiten und Probleme beim Satz und Druck, mein jüngster Sohn, der die Lesung musikalisch begleiteten sollte, erkrankte kurz vorher und wir konnten den Ablauf nur theoretisch durchsprechen und hoffen, dass er bis zur Premiere wieder fit sein würde und zu guter Letzt sagten einige, mir sehr liebe Menschen, ihr Kommen ab, weil auch sie sich die zu dieser Zeit in Scharen umherfliegenden Bazillenbiester eingefangen hatten. Und ich dachte: Ja klar auch, ich hab’s verstanden, dieses Jahr wird auf ganzer Linie ein Dunkeljahr für mich bleiben. Scheiß drauf.
Das Gute am „Scheiß drauf“ ist, dass es einen enorm entspannt. Lass einfach am „Retronom“ vorbeilaufen, irgendjemand wird schon da sein. Hab Vertrauen, dass dein Sohn, egal was passiert, dich nicht hängen lässt, zur Not eben ohne Gitarre und Gesang, so wie jede andere Lesung vorher. Geht ja doch auch. Und die Herzensmenschen, die nicht da sind, kommen zur nächsten Lesung. Nimmt auch ein bisschen Druck raus.
Presse hat sich angemeldet. Ich hänge ein „Reserviert-Schild“ über einen Stuhl in der ersten Reihe und bin froh, dass ich die Journalistin gebeten habe, das Interview im Vorfeld telefonisch zu machen. Was stammelt man sonst vorher so zusammen, wenn das Adrenalin durch die Adern strömt oder nachher, wenn man noch völlig unter Strom steht? Eben! Geht doch!
Ich fahre mit der Straßenbahn in die Stadt und unterwegs steigen mein Sohn, meine Tochter und ein paar Freunde von ihnen dazu. Sie reden, lachen, sind voller Vorfreude. Ihre Stimmung überträgt sich auf mich, fast erscheint mir nun alles vergleichsweise lächerlich leicht. Mein Sohn hat wieder Stimme: „Mama, das wird gut.“ Er soll Recht behalten. Das „Retronom“ ist bis auf den letzten Platz besetzt. Als wir beginnen, ist die Aufmerksamkeit fast greifbar, wir haben eine Verbindung zum Publikum geschaffen. Das ist das Beste, was an so einem Abend passieren kann. Denn dann kann es nur noch gut werden. In der Pause spricht mich ein junges Mädchen an: „Ich bin genauso wie Liv. Haben Sie beim Schreiben in meinen Kopf geguckt?“ Sie hatte sich bereits beim Zuhören in „Als wir schwebten“ eingewebt, nun war es ihre Geschichte. So ist das mit Büchern, die in die Welt hinaus gehen: Sie gehören dir nicht mehr. Das ist ein wenig beängstigend und gleichzeitig auch total befreiend.
An diesem Abend bin ich glücklich. Glücklich wie lange nicht. Sitzend auf einem bunten Glücksteppich, gewebt aus Verbundenheit, Vertrauen und auch ein bisschen „Scheiß drauf“. Vielleicht trägt er mich auch durch den dunklen November. Die dunkelsten Monate dieses Jahres liegen bereits hinter mir und ich denke, manchmal gehen die Dinge doch auch gut aus.
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