top of page

Das Feier - Paradoxon

Eine Grille hat unter dem blauen Spätsommerabend neben meiner Gartenbank gerufen. Hinein in eine vollkommene Augustnacht, die sich über die Welt legte. Ich habe zu den Sternen hochgeschaut und meinem Vater einen Gruß geschickt. So wie jeden Abend.

Vor einem Jahr waren unsere Sommertage schwarz angemalt gewesen, jetzt haben wir unser Leben wieder aufgenommen. Manchmal erwischt mich das Weinen und ich kann nichts dagegen tun. Es sind die kleinen Momente – ein Geruch, ein Lied, eine Art zu lachen, zu reden – die mich an meinen Vater erinnern. Dennoch ist in uns allen endlich eine Art Seelenruhe eingekehrt. Auch Heiterkeit. Wir haben ein Sommerfest gefeiert, mit Familie und Freunden. Feste sind so eine Sache geworden. Früher hat man den Rost angeworfen und Bier auf den Tisch gestellt. Es ist schwierig, sich den lässigen Junggeist in solchen Sachen zu erhalten. Seit wir erwachsen sind, planen wir anders. Am Anfang habe ich mich noch lustig darüber gemacht,  jetzt blicke ich mit Demut und Dankbarkeit auf meinen Mann, der über Gut- und Schlechtwettervarianten sinniert, eine Auswahl an Speisen für Vegetarier, eine Auswahl an Speisen für Fleischzähne und eine Auswahl aus erlesenen Weinen und trinkfähigem Bier überlegt, nochmal den Rasen mäht und Bodendellen vorsorglich mit Rindenmulch begradigt, derweil ich dann nur noch bescheiden so Hinweise gebe, wie: „Wir sollten auch noch Sekt besorgen, C. und D. trinken doch nur Sekt“ oder „Die Teller würde ich besorgen, habe da sehr cooles nachhaltiges Einweggeschirr aus Palmblatt gefunden. Passt dann auch richtig gut zur Deko.“

Wir feiern auf der Wiese hinten im Garten, es ist August und es ist heiß. So besorgen wir neben Zelt, Pavillon, Tischen, Stühlen, einer Biertischgarnitur mit Sitzauflagen, unzähligen Solarleuchten, einen großen Grill und Warmhaltedingens für das Gegrillte auch noch einen kleinen Kühlschrank. Die allermeisten Menschen feiern nicht mehr gern Feste bei sich zu Hause. Vielen erscheint es zu aufwendig und anstrengend. Ich kann das verstehen. Aber es ist nun mal so, dass man zu Hause anders „Hoch die Tassen“ rufen kann, als in einem Restaurant. Mein Mann und ich haben uns schon Tage vorher auf diesen Tag gefreut, den Tag selbst so schön wie nur möglich verbracht und im hinterher das herrliche Nachfeiergefühl sehr lange in unseren Herzen getragen. Jeder hatte etwas auf den Tisch gestellt, wir haben bis morgens um drei geschwatzt, getanzt, getrunken und gelacht und hinterher hat uns jeder versichert, wie schön es war. So also könnte man sagen, sind Feiern auch immer ein Dienst an der Gemeinschaft.

Mein Vater, der alte Berliner, hätte den Abend wahrscheinlich sehr gemütlich im Gartensessel verbracht, sein Bierchen getrunken und dem Treiben zugeschaut. Und wenn er dann nach Hause gegangen wäre, hätte er wahrscheinlich gesagt: „Schön war’s, meene Kleene. Aber hätte es nicht gereicht, einfach den Rost anzuwerfen und ein paar Bier auf den Tisch zu stellen?“

Weniger Aufwand, dafür mehr Feste. Vielleicht wabern immer noch postpandemische Ängste in mir oder eine Ahnung davon, dass das Leben sich grau davonstehlt, wenn man es nicht leuchten lässt. Wenn es nach mir ginge: Bald ist Martini, da haben wir doch früher auch immer … Mein Mann sieht mich etwas väterlich-sorgenvoll an und sagt: „Wie sollen wir denn die ganzen Menschen in unser Wohnzimmer kriegen?“ Mein persönlicher Lieblingstrick bei Entscheidungen ist folgender: Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass man das eine nicht ohne das andere haben kann. Also.

Die heißen Tage sind vorbei – kommt gut in den September. Von Herzen, eure Manu W.

 
 
 

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
Durch den Äther

Ich mochte noch nie großartig im Mittelpunkt zu stehen. Sobald ich vor Menschen reden muss, eine Kamera auf mich gerichtet ist oder man...

 
 
 
Die Ahnung von Etwas

Dieses Jahr hat begonnen und war unversehens plötzlich mitten im April. Vom müden Schneegrau ins irisierende Hellgrün. Ich habe versäumt,...

 
 
 
Trost

Wir haben den Baum hinausgetragen. Es war traurig für mich, auch wenn er in den letzten Tagen sehr genadelt hat und irgendwie müde...

 
 
 

Kommentare


bottom of page