Die Tage am Meer sind nur noch Erinnerung. Es ängstigt mich etwas, wenn ich sehe, wie schnell die Zeit vergeht. Mit zunehmendem Alter tut sie das erwiesenermaßen noch schneller, das ist nicht nur ein Gefühl. Nicht nur mein Körper altert zuverlässig, sondern auch mein Gehirn. Konnte dieses noch vor zehn Jahren Erfahrungen und Bilder im Schnellfeuer verarbeiten, wird es jetzt leider etwas trödeliger. So absurd es klingt, aber das hat auch Vorteile. Seit ich die Vierziger – Grenze überschritten habe, vertiefe ich immer mehr eine „I don’t give a fuck“ – Haltung und entwickele eine sehr gesunde Art von Seelenruhe kombiniert mit „Das geht mir jetzt einfach mal am Arsch vorbei“. Manche Dinge kann man nicht ändern. Das heißt aber noch lange nicht, dass man sie so hinnehmen muss.
Nordsee. Sahlenburg. Meine Erinnerung ist aus einer herrlichen unberührten Naturschutzlandschaft gebaut: zitronengelber Ginster im Heidegrün, der würziggrüne Geruch des Wernerwaldes und die Weite des offenen Meeres. Die Nordsee erzählt jeden Tag eine neue Geschichte. Mal empfängt sie uns mit weißen Wellenkämmen, mal zieht sie sich zurück, hinterlässt Priele und Lachen, die sich ständig verändern. Kommen, Bleiben, Gehen. Es ist aufregend und verlässlich, wie das Leben. Sonnenverwöhnte Zeit und dunkelgraue Sturmtage, oder, wie man im Norden sagt: Büschn Wind. Und inmitten der ganzen Weite und Freiheit ein streng erhobener Zeigefinger. Wir sind vollkommen irritiert. Überall hier oben ist Leinenpflicht. In der Heide, im Wald, im Ort, ja. Das ist absolut nachvollziehbar und richtig. Aber am Hundestrand? Im Meer? Im Watt? Der Sinn erschließt sich mir nicht. Was nutzt ein Hundestrand, wenn der Hund nicht rennen kann? Was nutzt ein Meer, wenn der Hund nicht schwimmen kann? Nicht allein und nicht mit mir? Ich erinnere mich, wie mein Mann und ich stundenlang nach einem geeigneten Urlaubsort mit Hund recherchiert haben. Unser erster Urlaub mit Rudelzuwachs, immerhin. Also Nordsee. Sahlenburg mit drei Hundestränden, Wald und Heide, das klang vielversprechend. Und dann so: Diese Art von Enttäuschung, wenn sich deine Vorstellungen komplett ins Gegenteil umdrehen. Ich bin kein großer Fan von Restriktionen.
Meine Fellnase ist ein Freiheitshund und ich bin eine Leinenrebellin. Wenn kein Mensch, kein Pferd, kein Hund in Sicht ist und man fast bis hinter die Wolken schauen kann, leine ich ab. Dann darf er rennen. Glücklich rast er los, so auf Hunde - Art, mit wehenden Fuchur – Ohren und breitem Grinsen, unangetasteter Pes – König. Schnell wie der Blitz. Mein Sehnsuchtskopf hofft, das könnte immer so sein. Ein Wunder könnte geschehen, so etwas wie, nicht immer alles bürokratisch reglementieren zu müssen. Vertrauen zu haben. Lässiger zu sein. Weil es eben nicht reicht zu lernen, wie man allein ein einigermaßen gelassener und zufriedener Mensch wird. Obwohl man damit auch nicht früh genug anfangen kann, schätze ich. Wie Pippi meinte: „Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Es ist August. Genieß es.
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